Faszination der Vergangenheit und die Suche nach dem Verborgenen
Wir sind überrascht und fasziniert, wenn wir erfahren, dass bei archäologischen Ausgrabungen gut erhaltene Überreste der Lebensweise und Kultur unserer Vorfahren gefunden wurden. Dieses Thema interessiert nicht nur Archäologen und Historiker, sondern auch ganz normale Menschen wie dich und mich. Neulich berichtete die Frankfurter Rundschau über Sondengeher, Menschen, die mit Metalldetektoren im Boden nach Schätzen suchen. Dieses Hobby erfreut sich gerade in Pandemiezeiten zunehmender Beliebtheit.
Wir haben unsere Häuser auf den Siedlungen unserer Vorfahren gebaut. Deshalb fangen wir an zu graben, aber wir graben nicht überall. Wir graben dort, wo uns überlieferte Worte sagen, dass vor langer Zeit hier etwas gewesen ist. Mit großer Sorgfalt durchsieben und durchsuchen wir Schicht für Schicht das Erdreich der Vergangenheit. Menschen sind auf der Suche. Wenn wir nicht suchen, bleibt vieles verborgen und geht verloren.
Der große Romantiker Novalis schrieb, dass wir immerzu das Unbedingte suchen würden, aber immer nur Dinge finden. Was meinte er damit? Das Unbedingte existiert ohne Bedingungen. Es ist etwas Absolutes, Höchstes, von dessen Existenz wir ahnen. Deshalb suchen wir danach. Der Mensch, so Novalis, besteht in der Wahrheit – gibt er die Wahrheit preis, so gibt er sich selbst preis.
Wir müssen verstehen, dass wir nicht nur nach vergrabenen, verborgenen und vergessenen Dingen suchen sollten, sondern auch nach vergrabenen, vergessenen und verborgenen Gedanken und Worten. Denn in unserer Zeit, in der überwiegend Rationalität herrscht, fehlt es an Geist. Das Bewusstsein, dass es nicht nur in der Welt vieles zu entdecken gibt, sondern auch in guten Büchern, kann helfen.
Die Magie des Lesens und der Bücher
Ich lese seit frühester Kindheit sehr gern und viel. Nicht zum Zeitvertreib, sondern weil ich neugierig bin. Viele Buchgeschenke haben mir den Horizont erweitert und Herz und Augen geöffnet. Eines der ersten Bücher bekam ich am 28. September 1967, meinem 6. Geburtstag. Es handelte von Tieren im Zoo, hatte schöne Illustrationen und gereimte Texte. Was mich aber am meisten faszinierte, war die schöne, geschwungene handschriftliche Widmung in altdeutscher Schrift von meiner Urgroßmutter.
Als wir 1971 in die Großstadt zogen, kam ich an eine neue Schule. Diese Schule hatte eine Stadtbibliothek. Dort entdeckte ich viele Freunde in den Büchern: Jim Hawkins, Herkules, Chingachgook, Lederstrumpf und die Kinder des Kapitän Grant. Die Bücher und mein Wissensdurst führten mich später zur Philosophie.
Die Suche nach Antworten
In meiner Jugend fand ich Orientierung bei den Gedanken von Marx, Engels und Lenin. Doch mein wachsender Eigensinn und meine Neugier ließen mich zweifeln. Der Zusammenbruch der DDR führte mich aus dem Gedankengefängnis. Heute bin ich gegen jede Art von Ideologie immunisiert. Anstelle des Glaubens treten Skepsis und die Freude am Widerspruch.
Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen im Informations-Tsunami der (un)-sozialen Medien ihre Orientierung verlieren. Sie unterwerfen sich neuen und alten Religionen und Ideologien. Wo finden wir einen Ausweg aus dieser Situation?
Die Bedeutung der klassischen Philosophie
Ich beschäftige mich intensiv mit den klassischen Philosophen von Sokrates über Kant bis hin zu Heidegger. Ich bin überzeugt, dass alle wesentlichen Gedanken über unser menschliches Wesen und Dasein, über Tod und Leben und Sinn, bereits gedacht wurden. Wir müssen uns wieder mit diesen Fragen auseinandersetzen:
- Was ist ein gutes Leben?
- Wie können wir ein gutes Leben erreichen?
- Was ist Glück?
- Was ist Gerechtigkeit?
- Was ist Freundschaft?
Wenn wir als Menschheit nicht weiser werden, wird sich nichts zum Besseren wenden. Weisheit strebt geistige Vervollkommnung an, zu der auch Lebenserfahrung gehört. Wir müssen nach Weisheit streben, anstatt uns von Algorithmen leiten zu lassen.
Schlusswort
Wir müssen verstehen, dass wir nicht nur nach vergrabenen, verborgenen und vergessenen Dingen suchen sollten, sondern auch nach vergrabenen, vergessenen und verborgenen Gedanken und Worten. Wir müssen zu „Sondengehern des Geistes“ werden, die nach verlorenen Fragen und Antworten suchen. Alles, was heute wirklich Substanz und Wert hat, ist verborgen unter einer Glasperlen-Schicht der Bedeutungslosigkeit. Freundschaft, menschliches Wachstum, Liebe und Familie sind das Wesentliche, nicht Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.
Der Mensch übernimmt Verantwortung für sein Leben, indem er die richtigen Fragen stellt. Dies erfordert philosophische und literarische Bildung sowie das Feuer der Neugier.